Sagen, Märchen und Mythen über die Kastration

Erziehung vs. Hormone - Ein aussichtsloser Kampf Paula war viel toller als ich
Erziehung vs. Hormone - Ein aussichtsloser Kampf Paula war viel toller als ich

Sagen, Märchen und Mythen um die Kastration

 

Es ist unglaublich, wie viele Märchen um dieses Thema noch immer kursieren. Es ist unglaublich, mit welcher Ignoranz Menschen ihre Hunde leiden lassen, es ist unglaublich, welchen Mumpitz so manch medizinischer Fachmann heute noch von sich gibt. Dieser Unsinn kommt dann meist auch noch von „Fachleuten“, die noch nie in ihrem Leben einen Hund im Alltag geführt haben, die also gar NICHT WISSEN, welchen Horror Hund und Halter tagtäglich erleben und ertragen müssen. Gerade im Moment habe ich wieder einmal einen Anruf von völlig verzweifelten Hundehaltern bekommen, da der Hund im normalen Leben nicht mehr zu handeln ist, ja, sich sogar beißen lässt und sich in Gefahr begibt, wenn er irgendwo eine Hündin in der Nase hat. Egal ob läufig oder nicht.

 

Erziehung ist alles

„…dann musst halt mit dem konsequenter in der Erziehung sein…“ ist dann ein häufiges Argument.

Erziehung? Wenn sich dieser Hund von Hündinnen beißen lässt, er aber trotzdem nur „seinen Schuss“ im Kopf hat? Wenn der Hund über Bundesstraßen kilometerweit läuft, um seine Angebetete zu beglücken? Wenn auf dem Hundeplatz, auf dem seit Monaten trainiert wird, inzwischen nur noch Terror herrscht, weil der Hund überhaupt NICHT mehr FÄHIG ist, etwas auf zu nehmen? Witzbolde, die in so einem Fall von konsequenterer Erziehung sprechen. Wie so oft musste ich wieder feststellen, dass solche Aussagen in der Regel von Nicht-Hundeführern kommen. Natürlich kann man jetzt einsam und alleine auf einem Hundeplatz oder mitten im Wald trainieren. Natürlich kann man dem Hund Stachelhalsbänder und Teletakt umhängen. Was bringt das? Nichts, überhaupt nichts, der Hund wird bei der nächsten Hündin, trotz ständigen Unterordnungsübungen wieder nur DAS EINE im Kopf haben. Und das lapidare Argument: „…da muss der durch…da muss jeder Rüde durch…“ ist Tierquälerei.

 

Es ist nicht immer möglich, gegen die Natur und gegen Hormone zu erziehen.

 

Erwachsen oder nicht? Das ist hier die Frage, beim Zwerg gehts schneller
Erwachsen oder nicht? Das ist hier die Frage, beim Zwerg gehts schneller

Das magische Jahr

Aussagen wie: „…der muss erst 1 Jahr alt werden…dann ist er erwachsen…“

Interessant, sehr interessant. Solche „Fachleute“ scheinen nicht zu wissen, dass sich Hunde unterschiedlicher Rassen auch völlig unterschiedlich entwickeln. Ein Zwerghund kann mit 5 Monaten voll geschlechtsreif sein, eine Dogge kommt eventuell erst im 3. Lebensjahr darauf, dass es Mädchen und Jungen gibt. Solche Kommentare kommen in der Regel von Tierärzten. Eigentlich erstaunlich, sollten gerade die sich ja mit den unterschiedlichen Entwicklungsschritten der einzelnen Hunderassen wenigstens ansatzweise auskennen. Bei so manchem Tierarzt stellt sich dann auch noch heraus, dass er noch nie selbst einen Hund besessen hat.

Und: Es gibt nicht den geringsten Beweis darüber, WANN ein Hund erwachsen ist. Noch niemals hat ein Mensch mit einem Hund gesprochen. Alles was über Entwicklung und Erwachsen werden von Hunden erzählt wird, ist nackte Theorie. Nicht mehr und nicht weniger.

 

Liebe Tierärzte, die ihr solche Albernheiten verbreitet: Möchtet ihr den soeben im hormonellen Chaos steckenden Jungrüden haben? Übernehmt ihr die Verantwortung für Unfälle? Möchtet ihr euch noch die nächsten 3 Monaten mit ihm rumschlagen?

Ich verspreche euch: Es werden die längsten drei Monate eueres Lebens werden.

Leider ist er doch "groß" geworden
Leider ist er doch "groß" geworden

Der bleibt ein Leben lang ein Welpe

Ach wie schön wäre das denn.

Leider zeigt mir die Praxis, in der ich im Gegensatz zu manchen „Fachleuten“ tagtäglich arbeite, etwas anderes. Ich kenne viele Frühkastraten, die sich zu souveränen, selbstbewussten Hunden entwickelt haben, dagegen aber mindestens genau so viele unkastrierte „Nervöserl“.

Mir sind dutzende nicht kastrierter Hunde bekannt, vor allem Rüden, die sich mit 6 Jahren noch immer so verhalten wie in Welpentagen. Letzte Woche erst wieder bei einem eben 6jährigen Rüden erlebt, der sich seit ich ihn als Welpe kennen gelernt hatte, nicht auch nur das geringste bisschen weiter entwickelt hat.

Ich darf Wurfgeschwister, also eng verwandte Hunde, über viele Jahre beobachten. Ein Teil davon kastriert, ein Teil nicht kastriert. Auch hier zeigte sich mir ein Bild, das dem oben genannten Klischee definitiv nicht entspricht. Extrem auffallend sind hier Collie-Brüder, von denen einer kastriert ist, der andere nicht. Ganz objektiv betrachtet, ist der kastrierte Rüde „im Kopf“ eindeutig weiter, als sein unkastrierter Bruder.

 

Unter „im Kopf“ weiter verstehe ich u.a. Souveränität und Kommunikation im Umgang mit anderen Hunden, Selbstbewusstsein und Stressanfälligkeit in Alltagssituationen, den Willen zur Zusammenarbeit mit dem Halter, die Konzentrationsfähigkeit, den Lernerfolg bei z.B. Gedächtnisleistungen wie Merkfähigkeit und Ausdauer beim Lernen.

Immer wieder sehr auffallend war, dass vor allem die Konzentration und die Gedächtnisleistung bei unkastrierten Hunden wesentlich schlechter ist als bei kastrierten. Blindenführhund, Rettungshunden und Service-Hunde werden nicht umsonst kastriert. Die arbeiten einfach besser.

Hässliche, dumme, fette kastrierte Hunde
Hässliche, dumme, fette kastrierte Hunde

Da kriegt der schlechtes Fell und wird fett

Ich weiß, ich hab furchtbar hässliche Hunde. Grässliche, hässliche Köter, die alle viel zu fett sind, aussehen wie alte Flokati-Teppiche aus den 70ern und dumm sind die sowieso. Zombies, eben, Hormon-Zombies.

 

Auf solch einen ausgemachten Blödsinn möchte ich gar nicht weiter eingehen. Wer so was noch glaubt, der glaubt auch an den Osterhasen und den Weihnachtsmann.

 

Bielefelder-Studie keine Studie sondern NUR eine UMFRAGE

Immer wieder wird die Kastrations-Studie von Dr. Gabriele Niepel als Beispiel angeführt. Liest man sich dieses Buch genau durch, liest man alles und nicht nur das was man lesen will, MUSS beachtet werden, dass es sich hier um eine UMFRAGE unter Hundehaltern handelt. Frau Dr. Niepel weist darauf auch hin, dass es sich um „subjektive Eindrücke“ der Halter von kastrierten Hunden handelt. Subjektive Eindrücke aus einer Umfrage sind aber einfach keine wissenschaftliche Studie.

 

Aussagekräftige Studien, zu denen auch immer Vergleichszahlen notwendig sind, gibt es nicht. Eine Studie ohne Kontrollgruppe ist keine Studie.

Die einzige, wirkliche Möglichkeit eine wissenschaftlich zuverlässige Studie durchzuführen, wäre, tausende von Hunden aus einem einzigen Individuum zu klonen, um völlig identische Wesen zu erschaffen. Die Hälfe davon müsste kastriert werden, die andere Hälfte nicht. NUR SO und ausschließlich so, könnte man beobachten, ob es tatsächlich unterschiedliche Entwicklungen gibt, die aus einer Kastration resultieren.

Doch wer macht so was?

 

Hunde haben mich durch mein ganzes Leben begleitet, kastrierte und unkastrierte. Gigolo-Rüden und eher gemäßigte Liebhaber. Hündinnen die furchtbar unter der Läufigkeit litten und schwer krank wurden. Meine Erfahrung hat mir eindeutig gezeigt, dass das Zusammenleben mit einem kastrierten Hund harmonischer und stressfreier ist.

 

Und nun warte ich auf die Mails und Reaktionen, die auf diesen Artikel kommen werden. Ich wette, es sind zu einem großen Teil wieder „Fachleute“, die Hunde zwar unter Laborbedingungen beurteilen wollen, von der Praxis aber so weit weg sind, wie Arnold Schwarzenegger von einer Balletttänzerin.

Für KONSTRUKTIVE Kritik und SACHLICHE ARGUMENTE bin ich jeder Zeit offen. Angriffe und Beleidigungen werde ich nicht beantworten, sondern nach hündischem Verhalten behandeln: „…Ignoranz ist Dominanz…“