Liz – aus dem Schuppen auf’s Tanzparkett

Liz unter ihrem Stuhl
Liz unter ihrem Stuhl

Ich "liebe" meine Angsthunde. Vor allem wenn die Geschichte so endet, wie bei Liz.

Liz’s Geschichte ist schnell erzählt, viel hat sie bisher nicht erlebt. Sie wurde Ende 2004 von der Border Collie Rescue an Martina vermittelt. Bis zur Vermittlung hat Liz ihr Leben in einem Schuppen verbracht, ohne Kontakt zur Außenwelt, ohne positive Prägung auf Menschen. Diese Haltung ist im Heimatland der Border Collies leider oftmals ganz normal. Liz galt zuerst als unvermittelbar, zeigte panische Angst in Gegenwart von Menschen und verkroch sich anfangs monatelang unter einer Dachschräge. Doch Martina nahm die Herausforderung an.

 

Als ich Liz kennen lernte, lag sie im Seminarraum unter einem Stuhl und rührte sich nicht. Ihre großen aufgerissenen Augen blickten misstrauisch umher. Ansprechbar war sie erst mal überhaupt nicht. Das war im Februar 2007 im Rahmen meines DogDanceKurses. Wir haben Liz komplett ignoriert, auch die anderen Teilnehmer bekamen die Anweisung Liz nicht zu beachten, einfach so zu tun, als wäre sie nicht da. Mit Martina besprach ich noch, wie sie mit Liz arbeiten solle, wenn sie in den Freistunden mit ihr alleine ist.

Liz kommt zögernd hervor
Liz kommt zögernd hervor

Pfotenarbeit gegen Berührungsängste

Vor allem Pfotenarbeit und Pfotentricks sind sehr wichtig. Dabei kann der Hund alleine, ohne Zwang entscheiden, wann und wie er Körperkontakt mit seinem Menschen aufnimmt. Diese Entscheidungsfreiheit fördert das Vertrauen und die Hunde merken in der Regel sehr schnell "...ach, ist ja alles gar nicht schlimm...im Gegenteil...das lohnt sich ja...".

Besonders wichtig ist, dem Hund nur die ausgestreckte, flache Hand anzubieten, die Pfote aber keinesfalls zu umgreifen oder gar festzuhalten.

Liz stellt sich an, frei im Raum
Liz stellt sich an, frei im Raum

Schon am zweiten Tag, kam Liz unter ihrem Stuhl hervor und begann sich, zwar noch sehr vorsichtig und misstrauisch, nach einem Leckerli hinter ihrem Partner Luke anzustellen. Anscheinend war es ihr nun doch zu blöd, immer nur unter dem Stuhl zu liegen während die anderen die besten Leckerbissen verspeisten. Es gelang mir, ihr im vorbei gehen immer mal wieder ein Leckerchen zu zuschieben. Ganz von alleine nahm Liz vorsichtigen Blickkontakt auf und am Nachmittag des dritten Tages nahm Liz auch von anderen die ersten Leckerchen an.

 

Nun wurden von mir und den Teilnehmern erst mal fleißig Leckerchen, auch fürs nichts-dafür-tun verteilt. Als wir den Eindruck hatten, Liz wird lockerer und entspannter, boten wir ihr das erste Mal unsere, für sie fremde und gefährliche Hand an, wohlweislich ohne Liz dabei an zu sehen. Und siehe da, Liz hob die Pfote und berührte uns, zwar kurz, zögerlich und unsicher, aber sie nahm tatsächlich Kontakt auf. Schon im Laufe dieser ersten Woche waren tolle Fortschritte bei Liz zu beobachten. Sie verkroch sich nicht mehr unter ihrem Stuhl, staubte inzwischen auch bei allen anderen Kursteilnehmern immer mal wieder ein Leckerli ab.

Liz bekommt einfache Aufgaben
Liz bekommt einfache Aufgaben

Tanzen kann kaputte Seelen heilen

Beim Tanzen bekam Liz erst mal einfache Aufgaben. Es genügte uns schon, wenn sie um uns herum ging oder einfach nur zwischen Martina's Beinen durch schlich. Das schafft, nach den Händen Vertrauen zu Menschenbeinen.

Viele Hunde mit der Geschichte von Liz werden getreten, Füße von Zweibeinern sind also alles andere als toll und vertrauenserweckend. Liz wich fremden Menschen aber noch immer lieber aus. Sie war da auch noch nicht dazu zu bewegen, engen Körper- oder Beinkontakt mit Fremden aufzunehmen. Vorsichtiges antippen mit der Pfote ja, aber zwischen meinen Beinen hindurch gehen NEIN, zu gefährlich. Es klappte erst mal nur bei Martina so richtig gut.

 

Am Ende der Woche, besprachen Martina und ich noch das weitere Vorgehen. Liz sollte wenn möglich unbedingt weiter tanzen. Dieser Sport ist als "vertrauensaufbauende Therapie" hervorragend geeignet. Man kann mit einem Angsthund einfach in keinem anderen Sport so vorsichtig und positiv arbeiten wie beim Tanzen. Vor allem kann der Hund hier wieder selbst mit abwägen, wie weit er gehen will. Denn, ICH bilde mir nun mal ein, Hunde merken sehr wohl, ob sie selbst mit entscheiden dürfen oder nicht.

Liz WILL auch - wird fast aufdringlich
Liz WILL auch - wird fast aufdringlich

An spielerischen Mutproben wachsen

Das zweite Mal sah ich Liz im Mai 2007.

Martina hatte in den vergangenen zwei Monaten hervorragend mit Liz gearbeitet und mir immer den neuesten Stand der Entwicklung mitgeteilt. Alles funktionierte perfekt und Liz war in ihrem zweiten Kurs von Anfang an wesentlich gelöster. Martina nahm diesmal am Spiel- und Trickkurs teil. Liz wird in dieser Woche noch unzählige Mutproben bestehen.

 

Schon am ersten Tag kam mir eine entspanntere Liz entgegen. Sie lag vorerst mal nur am Rand und schien "abzuchecken", wer denn so alles am Kurs teil nahm.  Aufmerksam folgte Liz von Anfang meinen "Ausführungen" (hab mich eh gewundert, dass sie mir nicht manchmal dazwischen gequatscht hat). Sie war gelöst und begab sich von alleine oft so nah an mich heran, dass es ein leichtes war, ihr immer wieder kleine Übungen abzuverlangen. Sie wurde diesmal fast schon "aufdringlich“.

Liz völlig "vertrieft" in ihre Korkenkiste
Liz völlig "vertrieft" in ihre Korkenkiste

So richtig gespannt waren Martina und ich aber darauf, was Liz zu den Spielen "sagen" würde. Hier sind ja doch einige Aktionen dabei, die für einen Angsthund "sehr gefährlich" werden können. Klappernde Dosen, raschelndes Papier und Korken die komische Geräusche von sich geben. Leere Flaschen, die sich wie von Geisterhand drehen, wenn man mit der Nase dran kommt und vor allem fremde Hund und Menschen im Rücken. Diese Spiele sind ebenfalls als Therapie hervorragend geeignet, da der Hund auch hier Entscheidungsfreiheit hat. Mutig die Gefahren, die von Korken ausgehen bestehen, oder auf Leckerlis verzichten? Der Hund kann sich selbst positive Erlebnisse verschaffen und wird von einem Menschen zu nichts gedrängt oder gezwungen.
Liz hat uns nicht enttäuscht. Trotz Menschengetümmel im Raum, obwohl immer wieder fremde Menschen an ihr vorbei liefen, bestand sie ihre "Spiele-Mutproben" mit Bravour. Am letzten Tag, dem Wusel-Tag, war sie so gelöst und im wahrsten Sinne des Wortes in ihren Wusel vertieft, dass sie von keinem Menschen Notiz nahm. Kein Ausweichen, alle Teilnehmer konnten an ihr vorbei gehen, ohne dass sie zurück schreckte. Schließlich hatte sie Wichtigeres zu tun.
Nun waren Martina und ich doch auch etwas platt. Mit diesem schnellen Fortschritt hatte ich ehrlich gesagt auch nicht gerechnet.

 

Und wenn die kleine Border Dame so weiter macht, wird sie irgendwann genau so aufdringlich und lästig wie andere Hunde, DAS hat Martina nun davon.